Forschungsmethodik
Statistik
Diese Rubrik dient dem Sicherheitsmonitoring und bietet die Möglichkeit, das Unfallgeschehen im Sinne der deskriptiven Epidemiologie nach Häufigkeit und Schwere in Teilpopulationen oder nach zeitlichen und räumlichen Aspekten auszuwerten.
Grundlage der Auswertungen sind die polizeilich registrierten Unfälle mit mindestens einer leicht verletzten Person. Dabei ist zu beachten, dass die Werte einer gewissen Verzerrung unterliegen (Dunkelziffer). Die Dunkelziffer gibt an, wie viele Unfälle statistisch nicht erfasst werden. Sie entspricht dem Verhältnis zwischen der Zahl der statistisch erfassten Fälle und der Zahl der tatsächlichen Fälle. So wird beispielsweise nur etwa jeder zehnte Velounfall der Polizei gemeldet.
Das Monitoring soll nicht nur Informationen über das Unfallgeschehen liefern, sondern auch das allgemeine Sicherheitsniveau beleuchten. Dazu werden Indikatoren aus den Bereichen Risikoverhalten (z. B. Geschwindigkeitsübertretungen), Schutzverhalten (z. B. Tragquoten von Schutzausrüstungen) und deren Prädiktoren (z. B. Risikowahrnehmung) erhoben. Die Indikatoren werden durch repräsentative Bevölkerungsbefragungen und durch standardisierte Beobachtungen am Strassenrand erhoben.
Das Monitoring des Sicherheitsniveaus liefert Grundlagenwissen für eine bedarfsgerechte Ausrichtung der Präventionsarbeit.
Wissen
Hauptziel dieser Rubrik ist die systematische und evidenzbasierte Ableitung von Handlungsoptionen. Das gewählte Vorgehen orientiert sich dabei an der Methodik der Epidemiologie. Diese untersucht die Verteilung und die Risikofaktoren von gesundheitsrelevanten Ereignissen und Zuständen in einer definierten Bevölkerungsgruppe und nutzt die Erkenntnisse zur Steuerung und Kontrolle von Gesundheitsproblemen.
Daraus folgt, dass eine zielgerichtete Ableitung von Präventionsmassnahmen nur dann stringent möglich ist, wenn die Herausforderungen im Unfallgeschehen und die wichtigsten Ursachen bekannt sind. Daraus ergeben sich die drei Teilschritte Unfallanalyse, Risikoanalyse und Interventionsanalyse. Sie zeigen, was passiert, warum es passiert und wie es verhindert werden kann.
Insbesondere für die Interventionsanalyse, aber auch für die Risikoanalyse ist es unerlässlich, internationale Forschungserkenntnisse zu kennen und unter Berücksichtigung ihrer Aussagekraft (Validität) und Übertragbarkeit auf schweizerische Verhältnisse zusammenfassend zu dokumentieren.
Neben der deskriptiven Dokumentation von Unfällen, Ursachen und Massnahmen wird auch eine Priorisierung vorgenommen. Die Priorisierung ermöglicht es, die Schwerpunkte im Unfallgeschehen, die Hauptunfallursachen und die erfolgversprechendsten Massnahmen zu identifizieren.
Der Priorisierung liegen jeweils zwei Bewertungskriterien zugrunde: Das Unfallgeschehen wird nach Häufigkeit und Schweregrad, die Risikofaktoren werden nach Verbreitung und Gefährlichkeit und die Präventionsansätze nach Präventionsnutzen und Optimierungspotenzial bewertet. Diese Bewertungskriterien sind wie folgt definiert:
-
Die Häufigkeit entspricht der Inzidenz und wird als Anzahl der schwer und tödlich verletzten Verkehrs-teilnehmenden in einem festgelegten Zeitfenster verstanden. Wo nötig und sinnvoll wird die Häufig-keit nach dem Bevölkerungsanteil gewichtet.
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Der Schweregrad entspricht der Anzahl der leicht, schwer und tödlich verletzten Verkehrsteilneh-menden gewichtet mit den materiellen Kosten, dividiert durch die Anzahl der Personenschäden.
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Die Verbreitung ist die Häufigkeit eines bestimmten Risikofaktors in einer definierten Gruppe von Verkehrsteilnehmenden.
- Die Gefährlichkeit entspricht dem relativen Risiko und gibt an, um welchen Faktor sich die Wahrscheinlichkeit eines schweren Unfalls durch einen bestimmten Risikofaktor erhöht. Der Kennwert wird als Verhältnis des Unfall- oder Verletzungsrisikos in einer exponierten Gruppe im Vergleich zu einer nicht exponierten Gruppe verstanden.
- Der Präventionsnutzen widerspiegelt das Rettungspotenzial einer Verkehrssicherheitsmassnahme und entspricht dem vermeidbaren Anteil am Unfallgeschehen. Der Nutzen hängt im Wesentlichen von der Wirksamkeit der Massnahme, aber auch von der Grösse des adressierten Unfallsegments ab.
- Das Optimierungspotenzial gibt an, inwieweit der aktuelle Umsetzungsstand einer Massnahme in der Schweiz im Vergleich zu internationalen Best-Practice-Beispielen weiterentwickelt bzw. verbessert werden könnte.

Abbildung: Unfall-, Risiko- und Interventionsanalyse
Erhebungen
Die BFU führt jedes Jahr schweizweite Erhebungen im Strassenverkehr durch. Dabei werden standortbasierte Erhebungen durch Beobachtung vom Strassenrand mittels standardisierten Formularen erfasst.
Die Erhebungsmethoden sind in den nachfolgenden Methodensteckbriefen aufgelistet.
BFU-Erhebung «Gurtentragquote»
Beschreibung
Schweizweite Erhebungen der Gurtentragquote in Personenwagen
Methodik
Standortbasierte Erhebung durch Beobachtung vom Strassenrand. Elektronische Erfassung durch geschultes BFU Personal mittels standardisiertem Erhebungsformular. Erhebung des Gurtstatus von Lenkenden und Mitfahrenden von Personenwagen mit Schweizer Kontrollzeichen an 59 Standorten (stratifiziert nach Ortslagen und Sprachregionen), von Rücksitzpassagieren/-innen an 14 Standorten. Kinder unter 7 Jahren und spezielle Fahrzeuge (Polizei, Taxi usw.) werden nicht einbezogen. Für die Berechnung der Tragquote werden sowohl die Bevölkerungszahlen in den Schweizer Sprachregionen als auch die Fahrleistungen nach Ortslage berücksichtigt. Pandemiebedingt konnte 2020 keine Erhebung durchgeführt werden.
Stichprobengrössen: ca. 30 000 Lenkende, 15 000 Mitfahrende und 2000 Rücksitzpassagiere/-innen.
Regionalisierung
Schweiz und Sprachregionen
Verwendete Variablen/Informationen
Gurtstatus; Fahrzeugtyp (Personen- und Sachentransport); Sitzposition (Lenkende, Mitfahrende auf Vordersitzen, Rücksitzpassagiere/-innen); Ortslage (Innerorts, Ausserorts und Autobahn); Sprachregion (Deutschschweiz, Romandie, Tessin); Witterung und Temperatur am Erhebungsstandort.
Erhebungsdatum und Periodizität
Jährliche Erhebung; Gurtentragquote Fahrzeuglenkende seit 1962; Rücksitzpassagiere/-innen seit 2000 und Mitfahrende auf Vordersitzen seit 2006; Erhebung jeweils in den Monaten März bis Juni.
Publikationsform
Jährliche Publikation der Ergebnisse als BFU-Erhebung, Sinus-plus und im «Status».
Steckbrief «Helmtragquote der Velo- und E-Bike-Fahrenden im Strassenverkehr»
Beschreibung
Schweizweite Erhebungen der Helmtragquoten beim Velo- und E-Bike-Fahren
Methodik
Standortbasierte Erhebung durch Beobachtung vom Strassenrand. Elektronische Erfassung durch geschultes BFU Personal mittels standardisiertem Erhebungsformular. Beobachtung von ca. 8000 Fahrzeuglenkenden an 67 nach
Sprachregion stratifizierten Standorten. Für die Berechnung der Tragquote werden sowohl die Bevölkerungszahlen in den Schweizer Sprachregionen als auch die Fahrleistungen nach Fahrzweck berücksichtigt. Pandemiebedingt konnte 2020 keine Erhebung durchgeführt werden.
Regionalisierung
Schweiz und Sprachregionen
Verwendete Variablen/Informationen
Helmstatus; Misuse; Geschlecht und Altersklasse der Fahrzeuglenkenden; Tragen einer Leuchtweste; Velo-/E-Bike Kategorie; Fahrzeugbeleuchtung; Fahrzweck (über den Standort der Erhebung); Witterung; Temperatur und Lichtverhältnisse am Erhebungsstandort
Erhebungsdatum und Periodizität
Jährliche Erhebung seit 1998, E-Bikes seit 2010; Erhebung jeweils in den Monaten März bis Juni
Publikationsform
Jährliche Publikation der Ergebnisse als BFU-Erhebung, Sinus plus und im «Status»
Steckbrief «Persönliche Schutzausrüstung beim Motorradfahren»
Beschreibung
Schweizweite Erhebungen zur Nutzung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA) bei Motorradfahrenden.
Methodik
Standortbasierte Erhebung durch Beobachtung vom Strassenrand. Elektronische Erfassung durch geschultes BFU Personal mittels standardisiertem Erhebungsformular. An insgesamt 58 Zählstellen auf Innerorts- und Ausserortsstrassen in der ganzen Schweiz werden etwa 2000 Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer mit Schweizer Kontrollzeichen erfasst. Für die Berechnung der Tragquote werden sowohl die Bevölkerungszahlen in den Schweizer Sprachregionen als auch die Fahrleistungen nach Ortslage berücksichtigt. Pandemiebedingt konnte 2020 keine Erhebung durchgeführt werden.
Regionalisierung
Schweiz und Sprachregionen
Verwendete Variablen/Informationen
Motorradtyp (Kleinmotorrad, Motorrad); Bauform (Roller, normal); Tragen von Helm, Handschuhen, Motorradjacke, Motorradhose; Geschlecht und Altersklasse; Temperatur und Witterung am Erhebungsstandort.
Erhebungsdatum und Periodizität
Jährliche Erhebung seit 2012 jeweils in den Monaten März bis Juni
Publikationsform
Jährliche Publikation der Ergebnisse als BFU-Erhebung, Sinus plus und im «Status»
Steckbrief «Ablenkung im Strassenverkehr: Autolenkerinnen und Autolenker»
Beschreibung
Schweizweite Erhebung der Ablenkung bei PW- und Lieferwagenlenkenden im Strassenverkehr.
Methodik
Standortbasierte Erhebung durch Beobachtung vom Strassenrand. Elektronische Erfassung durch geschultes BFU Personal mittels standardisiertem Erhebungsformular. An 58 Standorten auf Inner- und Ausserortsstrassen in der ganzen Schweiz werden ca. 16 800 Personen- und Lieferwagen erfasst.
Regionalisierung
Schweiz und Sprachregionen
Verwendete Variablen/Informationen
Elf Ablenkungskategorien, Altersklasse und Geschlecht der Lenkenden, Fahrzeugart (PW, Lieferwagen), Verkehrsdichte am Standort (schwach, dichter Verkehr, stockende/stehende Kolonne), Geschwindigkeitsniveau des Fahrzeugs (steht, rollt, fährt), Temperatur und Witterung am Standort, signalisierte Höchstgeschwindigkeit.
Erhebungsdatum und Periodizität
Seit 2020 jährliche Erhebung in den Monaten März bis Juni.
Publikationsform
Jährliche Publikation der Ergebnisse als BFU-Erhebung, Sinus plus und im «Status»
Ablenkung im Strassenverkehr: Velo- und E-Bike-Fahrende
Beschreibung
Schweizweite Erhebung der Ablenkung bei Velo- und E-Bike-Lenkenden im Strassenverkehr
Methodik
Standortbasierte Erhebung durch Beobachtung vom Strassenrand. Elektronische Erfassung durch geschultes BFU Personal mittels standardisiertem Erhebungsformular. An 61 Standorten in der ganzen Schweiz werden ca. 5000 Velos und 1800 E-Bikes beim Fahren erfasst.
Regionalisierung
Schweiz und Sprachregionen
Verwendete Variablen/Informationen
Neun Ablenkungskategorien, Geschlecht, Alterskategorien, genutztes Fahrzeug (Velo, langsames E-Bike, schnelles E-Bike), signalisierte Höchstgeschwindigkeit, Temperatur und Witterung zum Zeitpunkt der Erhebung
Erhebungsdatum und Periodizität
Seit 2020 jährliche Erhebung in den Monaten März bis Juni.
Publikationsform
Jährliche Publikation der Ergebnisse als BFU-Erhebung, Sinus plus und im «Status»
Steckbrief «Ablenkung im Strassenverkehr: Fussgängerinnen und Fussgänger»
Beschreibung
Schweizweite Erhebung der Ablenkung bei Fussgängerinnen und Fussgängern beim Queren von Strassen
Methodik
Standortbasierte Erhebung durch Beobachtung vom Strassenrand. Elektronische Erfassung durch geschultes BFU Personal mittels standardisiertem Erhebungsformular. An 61 Standorten in der ganzen Schweiz werden rund 14 000 Fussgängerinnen und Fussgänger beim Queren einer Strasse (Fussgängerstreifen mit und ohne Lichtsignalanlage, keine markierte Querungsstelle) erfasst. Ablenkung wird in acht Kategorien erhoben. Zusätzlich werden das Alter und das Geschlecht sowie weitere Merkmale registriert.
Regionalisierung
Schweiz und Sprachregionen
Verwendete Variablen/Informationen
Acht Ablenkungskategorien, Geschlecht, Altersklasse, Art der Querungsstelle (Fussgängerstreifen mit oder ohne Lichtsignalanlage, Querungsstelle ohne Markierung), signalisierte Höchstgeschwindigkeit, Temperatur und Witterung zum Zeitpunkt der Erhebung.
Erhebungsdatum und Periodizität
Seit 2020 jährliche Erhebung in den Monaten März bis Juni.
Publikationsform
Jährliche Publikation der Ergebnisse als BFU-Erhebung, Sinus plus und im «Status».
Wichtige Datenquellen
Die Inhalte von sinus-plus.ch greifen auf verschiedenste Quellen zurück. Je nach Seite sind die Quellen direkt auf der jeweiligen Seite vermerkt. Wo das nicht der Fall ist, ist die Datengrundlage in der Regel die Folgende:
- ARE/BFS: Mikrozensus Mobilität und Verkehr (MZMV) – Alle fünf Jahre durchgeführte telefonische Befragung zum Mobilitätsverhalten einer repräsentativen Stichprobe von zurzeit rund 55 000 Haushalten
- ASTRA: Strassenverkehrsunfälle (SVU) – Vollerhebung aller polizeilich registrierten Strassenverkehrsunfälle
- BFS: Statistik der Bevölkerung und der Haushalte (STATPOP) – Gesamtschweizerische Erhebung aus Personenregistern der Gemeinden, Kantone und des Bundes
- BFU: Bevölkerungsbefragung – Jährliche telefonische (ca. 1000 Personen) und Online-Befragung (ca. 1500 Personen) der Schweizer Wohnbevölkerung
- BFU: Erhebungen zum Risiko- und Schutzverhalten im Strassenverkehr – Jährliche, umfassende Stichprobenerhebungen auf Schweizer Strassen
- BFU: Geschwindigkeitserhebung – Umfassende Erhebung der gefahrenen Geschwindigkeiten von Motorfahrzeugen
- ESRA: E-Survey of Road users’ Attitudes – internationale Online-Befragung, die alle drei Jahre durchgeführt wird. Die Schweizer Stichprobe umfasst rund 1000 Personen.
- IRTAD: International Traffic Safety Data and Analysis Group – Tödliche Strassenverkehrsunfälle und Sicherheitsindikatoren der IRTAD-Mitgliedsländer (2023: 37 Länder)