Einleitung
Rehabilitative Massnahmen wie Nachschulungskurse zielen darauf ab, bei Personen mit schwerwiegenden oder wiederholten Verkehrsregelverstössen eine Verhaltensänderung zu bewirken. Sie unterstützen die Betroffenen auf dem Weg zur Wiedererlangung des Führerausweises und zur sicheren und regelkonformen Teilnahme am Strassenverkehr. Neben den Nachschulungskursen existieren weitere spezialpräventive Massnahmen wie soziale Lernprogramme, Gruppendiskussionen oder technische Massnahmen wie Alkohol-Wegfahrsperren [1]. Besonders bei Delikten wie Fahren in angetrunkenem Zustand, erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen oder wiederholt gefährlichem Fahrverhalten können solche Massnahmen zur Verhaltensänderung beitragen und Rückfällen vorbeugen.
Für Jugendliche im Alter von 15 bis 17 Jahren sind solche Massnahmen nur bedingt anwendbar, da sie in der Regel noch keinen Führerausweis besitzen oder sich erst in der Lernphase befinden. Eine Wiedererlangung des Ausweises ist somit in vielen Fällen nicht relevant. Dennoch wird im Folgenden auf rehabilitative Massnahmen eingegangen, um deren Stellenwert im Gesamtkontext der spezialpräventiven Verkehrssicherheitsarbeit darzustellen – auch wenn nicht alle Inhalte direkt auf Jugendliche übertragbar sind.
Aktuelle Situation
Die Kantone sind für die Durchführung der Nachschulungskurse zuständig. Zu den Nachschulungskursen können Motorfahrzeuglenkende und Velofahrende aufgeboten werden, die wiederholt in verkehrsgefährdender Weise gegen Verkehrsregeln verstossen haben.
Zuständig für die Anordnung sind die Entzugsbehörden (Art. 40 Abs. 1 und Abs. 3 VZV) [2]. Die gezielte Nachschulung soll die Kursteilnehmenden zu korrektem Verhalten im Strassenverkehr animieren (Art. 40 Abs. 2 VZV) [2]. Freiwillige Nachschulungskurse können unter bestimmten Voraussetzungen dazu beitragen, den auf bestimmte Zeit entzogenen Führerausweis bis zu drei Monate früher zurückzuerlangen (Art. 17 Abs. 1 SVG) [3].
Im Rahmen des im Jahr 2012 vom Schweizer Parlament beschlossenen Programms Via sicura war vorgesehen, in bestimmten Fällen die obligatorische Teilnahme an Nachschulungskursen einzuführen (siehe Hinweis 1). Diese Massnahme wurde jedoch noch vor ihrer Umsetzung fallengelassen. Auch die Einführung von Alkohol-Wegfahrsperren – ebenfalls Teil von Via sicura – wurde nie umgesetzt.
Im Jahr 2023 wurde in der Schweiz 1 % der Personen mit einem Führerausweis der Führerausweis entzogen [4,5]. Es ist zu beachten, dass nur ein geringer Prozentsatz der Personen, denen der Führerausweis entzogen wurde, tatsächlich an einem Kurs teilnimmt. Diese Zahlen verdeutlichen, dass rehabilitative Massnahmen nur wenige Personen betreffen (auch wenn genaue Angaben dazu nicht vorliegen).
Präventionsnutzen
Verschiedene Studien deuten darauf hin, dass rehabilitative Massnahmen die Rückfallquote bei regelwidrigem und gefährlichem Verhalten im Verkehr senken können. Internationale Erfahrungen zeigen, dass die Kombination von Führerausweisentzug und Nachschulungskurs als Verknüpfung von bestrafendem und bildendem Element sinnvoll ist [6].
Laut einer EU-Studie zeigen zahlreiche Untersuchungen, dass die Rückfallquote bei Alkohol-Delinquenten und -Delinquentinnen, die an einem Rehabilitationsprogramm teilgenommen haben, im Vergleich zu Personen ohne eine solche Teilnahme um etwa 50 % reduziert werden kann. Diese Reduktion wurde über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren beobachtet [1].
Der Nutzen von Alkohol-Wegfahrsperren ist ebenfalls hoch, wenn sie mit weiteren rehabilitativen Massnahmen kombiniert werden [7]. Aus einem Bericht der Europäischen Kommission geht hervor, dass Alkohol-Interlock-Programme das Risiko von Rückfällen während der Betriebsdauer des Interlocks um 75 % reduzieren, alkoholbedingte Todesfälle verringern und ein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen. In einigen Fällen hielten die Effekte auch nach der Entfernung des Interlocks an, wenn die Programme medizinische und psychologische Betreuung umfassten [8].
Rehabilitative Massnahmen können die Rückfallquote von Delinquenten zwar deutlich senken, richten sich jedoch nur an eine sehr kleine Hochrisikogruppe. Konkret betrifft dies weniger als 1 % aller Personen mit Führerausweis. Zudem werden in der Schweiz vermutlich nur sehr wenige Personen zu einem Verkehrsunterricht aufgeboten – darunter vereinzelt auch 15- bis 17-Jährige, die beispielsweise durch wiederholtes, verkehrsgefährdendes Verhalten mit dem Motorrad oder dem Velo auffällig wurden. Die Wirkung rehabilitativer Massnahmen auf das Gesamtunfallgeschehen fällt daher relativ gering aus – insbesondere bei den 15- bis 17-Jährigen.
Optimierungspotential
Damit Nachschulungskurse eine ausreichende Wirkung entfalten, müssen einige Kriterien erfüllt sein [1,9,10]. Inhaltlich sollten alle Ebenen der GDE-Matrix (Goals for Driver Education) adressiert werden [11–15]. Insbesondere sollten die moderierenden Personen über spezifische psychologische Qualifikationen verfügen, bewährte therapeutische Ansätze anwenden und einen Schwerpunkt auf Selbstreflexion und die Erarbeitung persönlicher Handlungsstrategien legen. Darüber hinaus müssen eine Qualitätssicherung gewährleistet sein und konsequente Kursevaluationen erfolgen.
Grundsätzlich wäre eine rechtlich vorgeschriebene Nachschulungspflicht bei einem Führerausweisentzug wünschenswert, so wie dies im Rahmen von Via sicura ursprünglich vorgesehen war. Dies wäre aktuell jedoch politisch kaum durchsetzbar. Eine obligatorische Nachschulung für Delinquenten könnte allerdings auch strafrechtlich verankert werden, indem beispielsweise Art. 94 im StGB mit einer Nachschulungspflicht für schwere Verkehrsdelikte erweitert würde [16].
Führerausweisentzüge sollten ausserdem lang genug dauern, damit sich der Besuch eines freiwilligen Nachschulungskurses aus Sicht des Delinquenten wegen der verminderten Entzugsdauer lohnt, was z. B. bei einem Führerausweisentzug von 3 Monaten nicht der Fall ist, da ein vorzeitiger Erhalt des Ausweises nicht in Frage kommt (Art. 17 Abs. 1 SVG) [3]. Wichtig ist auch, dass bei Delikten eine unmittelbare und zeitnahe Sanktionierung erfolgt.
Aus Präventionssicht wäre der Einsatz von Alkohol-Wegfahrsperren in der Schweiz bei Delinquenten wünschenswert. Hierzu könnte als erster Schritt ein Pilotversuch mit wissenschaftlicher Evaluation durchgeführt werden. So könnten zahlreiche praktische Informationen zu technischen, organisatorischen und prozeduralen Aspekten gewonnen werden. Ebenso würde eine verpflichtende Ausstattung aller neu zugelassenen Fahrzeuge mit Vorrichtungen für Alkohol-Wegfahrsperren in der Schweiz – so wie das in der EU seit Juli 2024 der Fall ist – die technischen Hürden für eine spätere Einführung von Alkohol-Wegfahrsperren senken.
Rehabilitative Ansätze, die sowohl gezielt auf Jugendliche ausgerichtet sind als auch eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung zeigen, sind in der Literatur nur schwer zu finden.
Fazit
Rehabilitative Massnahmen wie zum Beispiel Nachschulungskurse und Alkohol-Interlock-Systeme können die Rückfallquote von Verkehrsdelinquenten deutlich senken und somit zur Verbesserung der Verkehrssicherheit beitragen. Ihr Einsatz ist jedoch auf eine kleine Hochrisikogruppe begrenzt, sodass ihr Einfluss auf das Gesamtunfallgeschehen im Strassenverkehr der Schweiz relativ gering bleibt. Dies gilt insbesondere für Jugendliche, bei denen solche Massnahmen aufgrund des fehlenden Führerausweises oder weil sie in der Lernphase sind nur eingeschränkt zur Anwendung kommen.
Hinweise
- Vgl. dazu das Dokument BBl 2012 5959: BBl 2012 5959 - Strassenverkehrsgesetz (SVG) | Fedlex (Art. 16e SVG).
Quellen
[1] SUPREME. Summary and publication of best practices in road safety in the member states. Thematic report: Rehabilitation and diagnostics. Part F3; 2007.
[2] Schweizerische Eidgenossenschaft. Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV, SR 741.51) vom 27. Oktober 1976.
[3] Schweizerische Eidgenossenschaft. Strassenverkehrsgesetz (SVG) vom 19. Dezember 1958: SR 741.01.
[4] Bundesamt für Strassen ASTRA. Führerausweisstatistik 2023. Ittigen: ASTRA; 2024.
[5] Bundesamt für Strassen ASTRA. ADMAS Gesamtbericht 2023. Ittigen: ASTRA; 2024.
[6] Walter E, Achermann Stürmer Y, Ewert U et al. Personenwagen-Lenkende und -Mitfahrende. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2015. Sicherheitsdossier Nr. 13.
[7] European Transport Safety Council ETSC. Alcohol interlocks in Europe: An overview of current and forthcoming programmes. Brussels: ETSC; 2020.
[8] European Commission. Road safety thematic report – Alcohol and drugs. Brussels: European Road Safety Observatory ERSO; 2023.
[9] Bartl G, Assailly J-P, Chatenet F et al. EU-Project "Andrea": Analysis of driver rehabilitation programmes. Vienna: Austrian Road Safety Board KfV; 2002.
[10] Bukasa B, Braun E, Wenninger U et al. Development of an Integrated Evaluation Instrument for Driver Rehabilitation Measures: DRUID 6th Framework
[11] Bartl G, Baughan CJ, Fougère J-P et al. Description and analysis of post-licence driver and rider training: The EU ADVANCED-Project Final report. Rijswjik, NL: Commission Internationale des Examens de Conduite Automobile CIECA; 2002.
[12] Berbatovci H. Wirksamkeit von freiwilligen Motorradkursen. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2019. Forschung 2.369. DOI:10.13100/BFU.2.369.01.2019.
[13] Cavegn M, Walter E, Scaramuzza G et al. Evaluation der Zweiphasenausbildung: Schlussbericht zuhanden des Bundesamts für Strassen (ATRA). Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2012.
[14] Engström I, Gregersen N-P, Hernetkoski K et al. Young novice drivers, driver education and training: Literature review. Linköping: Swedish National Road and Transport Research Institute VTI; 2003. VTI rapport 491A.
[15] Kramer T, Ingenhoff N. GDE-Matrix und Coaching: Grundlage zur Förderung der Risikokompetenz in der Verkehrsbildung. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2024. Fachdokumentation 2.527.
[16] Schweizerische Eidgenossenschaft. Schweizerisches Strafgesetzbuch (StGB) vom 21. Dezember 1937: StGB: SR 311.0.