Ausgangslage
Alkohol am Steuer gehört zu den grössten Sicherheitsrisiken im Strassenverkehr. Alkoholkonsum beeinträchtigt die Fahrfähigkeit: Aufmerksamkeit und Sehvermögen nehmen ab, die Reaktionszeit verlängert sich und Risikobereitschaft sowie Müdigkeit nehmen zu [1].
Verbreitung
Der Anteil der Fahrzeuglenkenden, die vor dem Fahren gelegentlich Alkohol konsumieren, ist in der Schweiz hoch. In der «E-Survey of Road User’s Attitudes» (ESRA-Befragung) 2023 gaben 22,6 % der Befragten in der Schweiz an, in den letzten 30 Tagen mindestens einmal nach dem Konsum von Alkohol gefahren zu sein. 16,7 % der Befragten gaben an, sie seien in den letzten 30 Tagen mindestens einmal nach Alkoholkonsum gefahren, obwohl die gesetzlich zulässige Blutalkoholkonzentration (BAK) wahrscheinlich überschritten war. Beide Werte liegen über dem europäischen Durchschnitt (15,4 %, resp. 11,6 %) [2].
In der Bevölkerungsbefragung 2023 gab fast ein Drittel (29 %) der Fahrzeuglenkenden, die zumindest selten selbst Auto fahren, an, mindestens ab und zu nach dem Konsum von zwei oder mehr Gläsern Alkohol Auto zu fahren. Männer (34 %) gaben häufiger als Frauen (23 %) an, zumindest gelegentlich nach dem Konsum von zwei oder mehr Gläsern Alkohol zu fahren. Junge Fahrzeuglenkende (15 bis 24 Jahre) gaben dies im Vergleich zu älteren Fahrzeuglenkenden deutlich seltener an [3].
In einer BFU-Erhebung zu Autofahrten unter Alkoholeinfluss (Roadside Survey Alkohol [4]) wurden 4847 PW-Lenkende an 85 Standorten in der Schweiz nach einem Zufallsprinzip angehalten und einem Alkoholtest unterzogen.
Bei insgesamt 3,6 % der PW-Lenkenden wurde Alkohol nachgewiesen (> 0 mg/l). 0,4 % wiesen eine Alkoholkonzentration über dem für sie geltenden gesetzlichen Limit auf, d. h. einen Wert von 0,25 mg/l bzw. 0,05 mg/l oder mehr.
PW-Lenkerinnen und PW-Lenker ab 31 Jahren waren häufiger unter dem Einfluss von Alkohol unterwegs als jüngere Lenkende. In Bezug auf das Fahren über dem Alkohollimit war der Anteil bei den 41- bis 50-Jährigen statistisch signifikant höher als bei den bis 30-Jährigen. Der Anteil der Männer, die unter dem Einfluss von Alkohol einen PW lenken, war höher als bei Frauen. In der Nacht und an Wochenenden war der Anteil deutlich höher als tagsüber unter der Woche.
Gefährlichkeit
Alkohol beeinträchtigt Wahrnehmungsleistungen, kognitive Leistungen sowie sensomotorische Koordinationsleistungen. Zusätzlich zu diesen Leistungsveränderungen können alkoholbedingte Motivationsveränderungen (z. B. hinsichtlich Selbstreflexion und Risikobereitschaft) entstehen, die zu alkoholspezifischen Wechselwirkungen zwischen objektiven Leistungsmöglichkeiten und subjektiven Zielsetzungen führen [5,6].
Zu alkoholbedingten Unfallrisiken liegen zahlreiche Studien vor [7,z. B. 8–10]. Sie kommen je nach Studientyp und Studiendesign zu unterschiedlichen Ergebnissen. In der Tendenz zeigen jedoch alle, dass das Unfallrisiko mit steigendem Alkoholisierungsgrad exponentiell zunimmt [1].
Das Risiko, bei einem Unfall verletzt oder getötet zu werden, steigt mit zunehmender BAK (im Vergleich zu 0 ‰). Insgesamt werden die Odds Ratios (siehe Hinweis 1) wie folgt geschätzt [1]:
- 0,10–0,49 ‰: 1 bis < 1,2
- 0,50–0,79 ‰: 1,2 bis < 2,0
- Ab 0,80 ‰: 8+
Die rasche Zunahme der Unfallwahrscheinlichkeit mit zunehmendem Alkoholisierungsgrad und die beachtliche Auftretenshäufigkeit von Fahren in angetrunkenem Zustand (vgl. Abschnitt «Verbreitung») sind dafür verantwortlich, dass Alkohol eine zentrale Unfallursache darstellt [1].
Unfallrelevanz
Aufgrund der Verbreitung und der Gefährlichkeit ist die Unfallrelevanz von Alkohol sehr hoch. Alkoholkonsum ist gemäss Polizeistatistik eine der häufigsten Ursachen bei schweren Unfällen mit Personenwagen. Da der alkoholisierte Zustand der verunfallten Lenkerinnen und Lenker von der Polizei nicht in jedem Fall erkannt wird, muss bei den amtlichen Unfalldaten von einer relativ hohen Dunkelziffer ausgegangen werden [11].
Bei 9 % der Unfälle mit schweren Personenschäden, die von PW-Lenkenden verursacht wurden, war Alkohol am Steuer die Hauptunfallursache (Ø 2019–2023). Bei Unfällen mit Schwerverletzten lag der Anteil Alkoholunfälle bei 8,6%, bei Unfällen mit Getöteten bei 13,2%. Bei fast der Hälfte der Unfälle wurden ausschliesslich Mitfahrende oder Kollisionsgegner schwer verletzt oder getötet, am häufigsten Mitfahrende oder Insassinnen und Insassen anderer Personenwagen (67,9 %), gefolgt von Fussgängerinnen und Fussgängern (11,1 %) und Motorradfahrenden (10,5 %).
Der Anteil der alkoholbedingten Unfälle mit schwerem Personenschaden ist bei den 25- bis 44-Jährigen mit 44,8 % am höchsten. Die Unfallverursacher sind deutlich häufiger männlich (78,7 %). Die meisten alkoholbedingten Unfälle mit schwerem Personenschaden ereignen sich nachts (62,7 %) – und an Werktagen insgesamt etwas weniger häufig (46,3 %) als an Wochenendtagen (53,7 %).
Hinweise
- Die Odds Ratio (OR) gibt an, um wie viel sich die Chance (Englisch: odds) für das Eintreten eines Ereignisses durch einen Einflussfaktor verändert. Zur Berechnung werden in einem ersten Schritt die Odds für ein Ereignis bei Vorhandensein des Einflussfaktors und die Odds für ein Ereignis bei Nichtvorhandensein des Einflussfaktors berechnet «Odds» sind definiert als das Verhältnis der Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis eintritt, zu der Wahrscheinlichkeit, dass es nicht eintritt). Diese beiden Odds werden dann zueinander ins Verhältnis gesetzt (Odds Ratio). Wie das relative Risiko kann auch die Odds Ratio einen Wert zwischen 0 und unendlich annehmen. Auch hier weist eine OR > 1 auf einen positiven Zusammenhang hin [1].
Quellen
[1] Hertach P, Uhr A, Niemann S et al. Beeinträchtigte Fahrfähigkeit von Motorfahrzeuglenkenden. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2020. Sicherheitsdossier 2.361. DOI:10.13100/BFU.2.361.01.
[2] Vias Institute. Switzerland – ESRA3 Country Fact Sheet. ESRA3 survey (E-Survey of Road Users’ Attitudes). Version 2 (01/2024): Vias Institute; 2023.
[3] BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung. BFU-Bevölkerungsbefragung 2023: Jährlich wiederkehrende Befragung der Schweizer Wohnbevölkerung zu Themen im Bereich der Nichtberufsunfälle [Unveröffentlichter Bericht]. Bern: BFU; 2023.
[4] Hertach P, Uhr A, Niemann S. Erhebung 2023: «Roadside Survey Alkohol»: Autofahrten unter Alkoholeinfluss. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2024. DOI:10.13100/bfu.2.529.01.2024.
[5] Klebelsberg D. Verkehrspsychologie. Berlin, Heidelberg: Springer; 1982.
[6] Garrisson H, Scholey A, Ogden E, Benson S. The effects of alcohol intoxication on cognitive functions critical for driving: A systematic review. Accid Anal Prev. 2021; 154: 106052. DOI:10.1016/j.aap.2021.106052.
[7] Høye AK, Storesund Hesjevoll I. Alcohol and driving - How bad is the combination? A meta-analysis. Traffic Inj Prev. 2023; 24(5): 373–378. DOI:10.1080/15389588.2023.2204984.
[8] Meesmann U, Boets S, de Gier H et al. Driving under influence of Drugs, Alcohol and Medicines. Main DRUID results to be communicated to different target groups; 2011 7.3.2.
[9] Hargutt V, Krüger H-P, Knoche A. Driving under the influence of alcohol, illicit drugs and medi-cines. Risk estimations from different methodological approaches. DRUID Deliverable D 1.3.1. https://www.bast.de/Druid/EN/deliverales-list/downloads/Deliverable_1_3_1.pdf?__blob=publicationFile&v=1. Zugriff am 9.7.2019; 2011.
[10] Compton RP, Berning A. Drug and alcohol crash risk. Washington DC: National Highway Traffic Safety Administration NHTSA; 2015. Traffic Safety Facts Research Note DOT HS 812 117.
[11] Vissers L, Houwing S, Wegman F. Alcohol-related road casualties in official crash statistics. Pa-ris: International Transport Forum ITF; 2017.