Ausgangslage
Velofahrerinnen und Velofahrer gehören zu den verletzlichen Verkehrsteilnehmenden. Sie verfügen über keinen äusseren Schutz wie eine Fahrzeugkarosserie oder Airbags, wie dies beispielsweise bei Personenwagen (PW) der Fall ist. Bei einem Unfall sind sie deshalb den entstehenden Kräften direkt ausgesetzt. Dies macht sie besonders verletzungsanfällig.
Verbreitung
Grundsätzlich gelten alle Velofahrerinnen und Velofahrer als verletzliche Verkehrsteilnehmende. Innerhalb dieser Gruppe gibt es jedoch Unterschiede:
Ältere Menschen sind im Allgemeinen verletzlicher als jüngere. Daher haben ältere Velofahrende ein deutlich höheres Risiko, bei einem Unfall schwere Verletzungen zu erleiden als jüngere Velofahrende. Gemäss Mikrozensus 2021 entfallen 11 % aller von der Schweizer Bevölkerung mit dem klassischen Velo zurückgelegten Kilometer auf Personen im Seniorenalter (Mikrozensus 2021, Auswertungen BFU).
Velofahrende mit Helm sind besser vor Kopfverletzungen geschützt als Velofahrende ohne Helm. Gemäss Erhebungen trugen im Jahr 2023 47 % der Velofahrenden einen Helm (Konfidenzintervall 39–56 %) [1].
Gefährlichkeit
Die Tatsache, dass Velofahrerinnen und Velofahrer den bei einem Unfall auftretenden Kräften direkt ausgesetzt sind, geht generell mit einem erhöhten Risiko für schwere Verletzungen einher. Entsprechend zeigt die offizielle Verkehrsunfallstatistik, dass Velofahrende bei Unfällen häufiger schwer verletzt werden als PW-Insassinnen und -Insassen: Der Anteil der schweren Verletzungen an allen registrierten Verletzungen ist bei Velofahrenden mit 25 % deutlich höher als bei PW-Insassinnen und -Insassen, wo er nur 9 % beträgt (Ø 2019–2023). Aufgrund der hohen Dunkelziffer bei den Velofahrenden dürften diese Zahlen jedoch verzerrt sein (siehe Hinweise).
Die Wahrscheinlichkeit, bei einem Velounfall schwere Verletzungen zu erleiden, wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Dazu gehören unter anderem:
Alter
Ältere Velofahrende haben ein deutlich höheres Risiko, schwer oder tödlich verletzt zu werden als jüngere. So sterben gemäss Unfallstatistik in der Altersgruppe der 25- bis 44-Jährigen 0,4 % der bei einem Velounfall verletzten Personen an den Unfallfolgen. Bei den 65- bis 74-Jährigen sind es 1,4 % und bei den 75-Jährigen und älteren 3,2 % (Ø 2019–2023).
Velohelm
Metaanalysen zeigen, dass Velohelme die Wahrscheinlichkeit von Kopfverletzungen um ca. 50 % reduzieren können, die Wahrscheinlichkeit schwerer Kopfverletzungen sogar um 60–70 % [2,3].
Fahrgeschwindigkeit und Kollisionsgegner
Das Risiko schwerer Verletzungen steigt mit zunehmender Geschwindigkeit [4]. Bei Alleinunfällen ist die Geschwindigkeit der Velofahrenden entscheidend. Bei Kollisionen beeinflussen zusätzlich die Geschwindigkeit und die Masse des Kollisionsgegners die Verletzungsschwere [5]. Auch das Frontprofil und die Frontsteifigkeit des Kollisionsfahrzeugs beeinflussen die Verletzungsschwere. So erhöhen z. B. hohe und gleichzeitig steile Fahrzeugfronten – wie bei Lieferwagen – das Risiko schwerer Kopfverletzungen [6,7].
Alkohol
Alkoholisierte Velofahrende haben ein erhöhtes Risiko, bei einem Unfall schwerere Verletzungen zu erleiden. Dies gilt auch, wenn andere Einflussfaktoren auf das Verletzungsrisiko (z. B. Helm) statistisch kontrolliert werden [8].
Unfallrelevanz
Bei 25 % der polizeilich registrierten Personenschäden von Velofahrerinnen und Velofahrern handelt es sich um schwere Personenschäden (Ø 2019–2023).
Seniorinnen und Senioren sind im Verhältnis zu ihrer Fahrleistung überproportional von schweren Personenschäden betroffen. Ihr Anteil an allen schwer verunfallten Velofahrenden auf Schweizer Strassen beträgt 19 %. Bei den Getöteten beträgt ihr Anteil sogar 44 %.
Absolut gesehen ereignen sich drei Viertel der schweren Personenschäden von Velofahrenden innerorts und ein Viertel ausserorts. Allerdings sind die Unfälle ausserorts schwerwiegender: 38 % der dort registrierten Personenschäden sind schwerwiegend. Innerorts sind es 23 %.
Hinweise
Zu beachten ist, dass es in der offiziellen Verkehrsunfallstatistik bei Velounfällen eine hohe Dunkelziffer gibt, insbesondere bei Alleinunfällen und Unfällen mit leichten Verletzungsfolgen. Dies erschwert verallgemeinerbare Aussagen auf Grundlage dieser Statistik.
Quellen
[1] Niemann S. Erhebungen 2023: Helmtragquote der Velo- und E-Bike-Fahrenden im Strassenverkehr. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2023. DOI:10.13100/bfu.2.521.01.2023.
[2] Hoye AK. Bicycle helmets – To wear or not to wear? A meta-analyses of the effects of bicycle helmets on injuries. Accid Anal Prev. 2018; 117: 85–97. DOI:10.1016/j.aap.2018.03.026.
[3] Olivier J, Creighton P. Bicycle injuries and helmet use: A systematic review and meta-analysis. Int J Epidemiol. 2016: 1–15. DOI:10.1093/ije/dyw153.
[4] Twisk DAM, Stelling A, van Gent P et al. Speed characteristics of speed pedelecs, pedelecs and conventional bicycles in naturalistic urban and rural traffic conditions. Accid Anal Prev. 2021; 150(2): 105940. DOI:10.1016/j.aap.2020.105940.
[5] Bahrololoom S, Young W, Logan D. Modelling injury severity of bicyclists in bicycle-car crashes at intersections. 0001-4575. 2020; 144: 105597.
[6] Monfort SS, Mueller BC. Bicyclist crashes with cars and SUVs: Injury severity and risk factors. Traffic injury prevention. 2023; 24(7): 645–651. DOI:10.1080/15389588.2023.2219795.
[7] Walter E, Achermann Stürmer Y, Scaramuzza G et al. Fahrradverkehr. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2012. Sicherheitsdossier Nr. 08.
[8] Sethi M, Heyer JH, Wall S et al. Alcohol use by urban bicyclists is associated with more severe injury, greater hospital resource use, and higher mortality. Alcohol. 2016; 53: 1–7. DOI:10.1016/j.alcohol.2016.03.005.