Ausgangslage
Alkohol gehört zu den Hauptursachen für Strassenverkehrsunfälle. Alkoholkonsum beeinträchtigt die Fahrfähigkeit erheblich: Aufmerksamkeit und Sehvermögen nehmen ab, die Reaktionszeit verlängert sich und Risikobereitschaft und Müdigkeit nehmen zu.
Nicht nur Fahrzeuglenkende, sondern auch Fussgängerinnen und Fussgänger, die unter Alkoholeinfluss stehen, sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, in schwere Verkehrsunfälle verwickelt zu werden [1].
Verbreitung
Alkoholkonsum ist in der Schweiz weit verbreitet. Die überwiegende Mehrheit (83 %) der Bevölkerung ab 15 Jahren gab im Jahr 2022 an, Alkohol zu trinken [2]. Männer trinken häufiger und mehr Alkohol als Frauen. 65 % der Männer und 46 % der Frauen gaben im Jahr 2022 an, mindestens einmal pro Woche Alkohol zu trinken.
Die Verkehrsteilnahme unter Alkoholeinfluss ist in der Schweiz gemäss der Befragung «E-Survey of Road users’ Attitudes» (ESRA) 2023 keine Seltenheit und im europäischen Vergleich relativ hoch [3]. Nicht nur der Anteil der Lenkerinnen und Lenker von Personenwagen (PW) (23 %), sondern auch der Anteil der Velofahrenden (20 %) sowie der Fussgängerinnen und Fussgänger (39 %), die angegeben haben, in den letzten 30 Tagen mindestens einmal alkoholisiert unterwegs gewesen zu sein, ist in der Schweiz um 4 bis 8 Prozentpunkte höher als im europäischen Durchschnitt. Motorradfahrende und Nutzende von E-Trottinetten hingegen sind in der Schweiz nicht häufiger alkoholisiert unterwegs (18 % resp. 20 %) als in den anderen europäischen Ländern (19 % resp. 21 %).
Objektive Daten zum Anteil der Fahrten, die PW-Lenkende in der Schweiz unter Alkoholeinfluss zurücklegen, wurden erstmals im Jahr 2023 im Rahmen eines «Roadside Survey Alkohol» in Zusammenarbeit mit der Polizei erhoben [4]. Insgesamt wurde bei 3,6 % der PW-Lenkenden Alkohol nachgewiesen, bei 0,4 % lag der Blutalkoholspiegel über dem geltenden gesetzlichen Grenzwert (siehe Hinweis 1). Der Anteil der Autofahrten unter Alkoholeinfluss hängt stark von der Tageszeit ab. In der Nacht und am Wochenende ist dieser Anteil deutlich höher als unter der Woche tagsüber.
Gefährlichkeit
Das Fahren unter Alkoholeinfluss erhöht das Unfall- und Verletzungsrisiko erheblich. Zum alkoholbedingten Unfallrisiko liegen zahlreiche Studien vor (z. B. [5–9]). Je nach Studientyp und Studiendesign kommen sie zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Eine Metaanalyse ergab, dass der Einfluss der Blutalkoholkonzentration (BAK) auf das Unfall- und Verletzungsrisiko in Studien, die höhere BAK oder schwerere Unfälle berücksichtigten, grösser war [10]. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass Studien, die auf Spitaldaten basierten, und Studien mit Kontrollgruppen, die nicht in einen Unfall verwickelt waren, im Durchschnitt einen geringeren Einfluss der BAK auf das Unfall- und Verletzungsrisiko ergaben. In der Tendenz zeigen jedoch alle Studien, dass das Unfallrisiko mit steigendem Alkoholisierungsgrad exponentiell zunimmt [11].
Das Risiko, bei einem Unfall verletzt oder getötet zu werden, steigt mit zunehmender BAK (im Vergleich zu 0 ‰). Insgesamt werden die Odds Ratios (siehe Hinweis 2) wie folgt geschätzt [11] :
- 0,10–0,49 ‰: 1,0 bis < 1,2
- 0,50–0,79 ‰: 1,2 bis < 2,0 (also bis zu einem doppelt so hohen Risiko)
- Ab 0,80 ‰: 8 +
Unfallrelevanz
Aufgrund der Verbreitung und der Gefährlichkeit ist die Unfallrelevanz von Alkohol hoch: Gemäss Polizeistatistik sind 12 % aller schweren Unfälle auf Alkohol zurückzuführen (Ø 2018–2022 [12]). Ein Drittel der schweren Alkoholunfälle wird von PW-Lenkenden verursacht, ein Fünftel von Motorradfahrenden und ein weiteres Fünftel von Velofahrenden. Nur 3 % der schweren Alkoholunfälle werden von Fussgängerinnen und Fussgängern verursacht.
Zudem muss bei den offiziellen Unfalldaten von einer Dunkelziffer ausgegangen werden [13]. In der Schweiz wurde jedoch mit der Einführung des neuen polizeilichen Unfallaufnahmeprotokolls im Jahr 2018 auch die Erfassung des Subtanzkonsums systematisiert [11]. Die Dunkelziffer dürfte daher nicht mehr so hoch sein wie in früheren Jahren. Darüber hinaus ist zu erwähnen, dass nach Angaben der Europäischen Kommission Alkohol für etwa 25 % der Verkehrstoten in der EU verantwortlich ist [14].
Hinweise
- Laut der Verordnung der Bundesversammlung über Alkoholgrenzwerte im Strassenverkehr gilt eine Person als fahrunfähig wegen Alkoholeinwirkung, wenn sie eine Blutalkoholkonzentration ab 0,5 Promille bzw. eine Atemalkoholkonzentration ab 0,25 mg Alkohol pro Liter Atemluft aufweist. Für bestimmte Personengruppen (insbesondere Neulenkende sowie Berufschauffeurinnen und -chauffeure) gilt ein Verbot des Fahrens unter Alkoholeinfluss, d. h. ab einer Alkoholkonzentration von 0,1 Promille bzw. 0,05 mg/l.
- Die Odds Ratio (OR) gibt an, um wie viel sich die Chance (Englisch: odds) für das Eintreten eines Ereignisses durch einen Einflussfaktor verändert. Zur Berechnung werden in einem ersten Schritt die Odds für ein Ereignis bei Vorhandensein des Einflussfaktors und die Odds für ein Ereignis bei Nichtvorhandensein des Einflussfaktors berechnet. «Odds» sind definiert als das Verhältnis der Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis eintritt, zu der Wahrscheinlichkeit, dass es nicht eintritt. Diese beiden Odds werden dann zueinander ins Verhältnis gesetzt (Odds Ratio). Wie das Relative Risiko kann auch die Odds Ratio einen Wert zwischen 0 und unendlich annehmen. Auch hier weist eine OR > 1 auf einen positiven Zusammenhang hin [11].
Quellen
[1] Hezaveh AM, Cherry CR. Walking under the influence of the alcohol: A case study of pedestrian crashes in Tennessee. Accid Anal Prev. 2018; 121: 64–70. DOI:10.1016/j.aap.2018.09.002.
[2] Storni M, Lieberherr R, Kaeser M, Schneider S. Schweizerische Gesundheitsbefragung 2022: Übersicht. Neuenburg: Bundesamt für Statistik BFS; 2022. 14 Gesundheit 213-2201.
[3] Vias Institute. ESRA3 dashboard; 2024. https://www.esranet.eu/en/dashboard/. Zugriff am 05.06.2024.
[4] Hertach P, Uhr A, Niemann S. Erhebung 2023: «Roadside Survey Alkohol»: Autofahrten unter Alkoholeinfluss. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2024. DOI:10.13100/bfu.2.529.01.2024.
[5] Hargutt V, Krüger H-P, Knoche A. Driving under the influence of alcohol, illicit drugs and medicines. Risk estimations from different methodological approaches. DRUID Deliverable D 1.3.1. https://www.bast.de/Druid/EN/deliverales-list/downloads/Deliverable_1_3_1.pdf?__blob=publicationFile&v=1. Zugriff am 9.7.2019; 2011.
[6] Lacey JH, Kelley-Baker T, Berning A et al. Drug and alcohol crash risk: A case-control study. Washington DC: National Highway Traffic Safety Administration NHTSA; 2016. Technical Report No. DOT HS 812 355.
[7] Compton RP, Berning A. Drug and alcohol crash risk. Washington DC: National Highway Traffic Safety Administration NHTSA; 2015. Traffic Safety Facts Research Note DOT HS 812 117.
[8] Krüger H-P, Vollrath M. The alcohol-related accident risk in Germany: Procedure, methods and results. Accid Anal Prev. 2004; 36(1): 125–133.
[9] Blomberg RD, Peck, Raymond C., Moskowitz, Herbert, Burns M, Fiorentino D. Crash risk of alcohol involved driving: A case-control study: Dunlap and Associates, Inc., Stamford, CT; 2005.
[10] Hoye AK, Storesund Hesjevoll I. Alcohol and driving – How bad is the combination? A meta-analysis. Traffic Inj Prev. 2023; 24(5): 373–378. DOI:10.1080/15389588.2023.2204984.
[11] Hertach P, Uhr A, Niemann S et al. Beeinträchtigte Fahrfähigkeit von Motorfahrzeuglenkenden. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2020. Sicherheitsdossier 2.361. DOI:10.13100/BFU.2.361.01.
[12] Hertach P, Achermann Stürmer Y, Allenbach R et al. Sinus 2023: Sicherheitsniveau und Unfallgeschehen im Strassenverkehr 2022. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2023. DOI:10.13100/bfu.2.501.01.2023.
[13] Vissers L, Houwing S, Wegman F. Alcohol-related road casualties in official crash statistics. Paris: International Transport Forum ITF; 2017.
[14] European Commission. Road safety thematic report – Alcohol and drugs. Brussels: European Road Safety Observatory ERSO; 2023.