Ausgangslage
Alkoholkonsum beeinträchtigt die Fahrfähigkeit erheblich: Aufmerksamkeit und Sehvermögen nehmen ab, die Reaktionszeit verlängert sich, Risikobereitschaft und Müdigkeit nehmen zu [1]. Neben Fahrzeuglenkenden sind auch Fussgängerinnen und Fussgänger unter Alkoholeinfluss einem erhöhten Risiko ausgesetzt, in schwere Verkehrsunfälle verwickelt zu werden [2].
Alkohol kann bei älteren Verkehrsteilnehmenden stärkere Auswirkungen haben als bei jüngeren. Ein Grund dafür ist, dass die gleiche Menge Alkohol mit zunehmendem Alter zu höheren Blutalkoholkonzentrationen führt. Zudem nehmen ältere Personen mehr Medikamente ein. Ein Mischkonsum von Alkohol und Medikamenten kann zu Wechselwirkungen und in der Folge zu verstärkten Auswirkungen z. B. auf die Reaktionszeit führen [3].
Verbreitung
Alkoholkonsum ist in der Schweiz weit verbreitet. Im Jahr 2022 gaben in einer Befragung 83 % der Personen ab 15 Jahren an, Alkohol zu trinken [4]. Männer trinken häufiger und mehr Alkohol als Frauen. Der Anteil der Personen, die täglich Alkohol konsumieren, steigt mit zunehmendem Alter an. Bei den 25- bis 34-Jährigen sind es 2 %, bei den 55- bis 64-Jährigen 11 %, bei den 65- bis 74-Jährigen 18 % und bei den Personen ab 75 Jahren 25 % [5].
Die Bevölkerungsbefragung der BFU 2024 zeigt, dass viele Verkehrsteilnehmende nach Alkoholkonsum fahren: 32 % der Lenkenden von Personenwagen (PW), 19 % der Motorradfahrenden und 37 % der Velofahrenden gaben an, zumindest ab und zu nach dem Konsum von zwei oder mehr Gläsern Alkohol gefahren zu sein [6].
Bei älteren Personen waren diese Anteile bei den PW-Lenkenden und den Motorradfahrenden überdurchschnittlich hoch: 36 % der PW-Lenkenden und 33 % der Motorradfahrenden ab 65 Jahren gaben an, zumindest ab und zu nach zwei oder mehr Gläsern Alkohol zu fahren [6].
Objektive Daten zum Anteil der Fahrten von PW-Lenkenden unter Alkoholeinfluss in der Schweiz wurden erstmals im Jahr 2023 im Rahmen eines «Roadside Survey Alkohol» erhoben [7]. Bei den 65-jährigen und älteren Personen wurde bei 4,2 % der PW-Lenkenden Alkohol in der Atemluft oder im Blut festgestellt, 0,1 % wiesen einen Alkoholwert über dem gesetzlichen Grenzwert auf (siehe Hinweis 1). Damit fahren ältere PW-Lenkende tendenziell etwas häufiger unter Alkoholeinfluss als jüngere Lenkende, aber etwas weniger oft mit einem Alkoholwert über dem Grenzwert.
Gefährlichkeit
Fahren unter Alkoholeinfluss erhöht das Unfall- und Verletzungsrisiko erheblich. Zum alkoholbedingten Unfallrisiko liegen zahlreiche Studien vor (z. B. [8–12]).
In der Tendenz zeigen alle Studien, dass das Unfallrisiko mit steigendem Alkoholisierungsgrad exponentiell zunimmt [12]. Im Rahmen des europäischen Projekts DRUID wurde das Risiko, bei einem Unfall verletzt oder getötet zu werden, in Abhängigkeit von der Blutalkoholkonzentration (BAK) geschätzt. Die entsprechenden Odds Ratios (siehe Hinweis 2), kontrolliert für Alter und Geschlecht, mit den 95%-Konfidenzintervallen (in Klammern) lauten [12]:
- 0,10–0,49 ‰: 1,2 (0,8–1,7)
- 0,50–0,79 ‰: 3,6 (2,3–5,7)
- 0,8–1,19 ‰: 13,4 (8,1–21,9)
- Ab 1,2 ‰: 62,8 (44,5–88,6)
Bei einer Blutalkoholkonzentration ab 1,2 ‰ ist das Risiko, bei einem Unfall verletzt oder getötet zu werden, also fast 63-mal höher als in nüchternem Zustand.
Diese Zahlen beziehen sich auf Lenkende ab 18 Jahren. In einer Studie wurde untersucht, wie sich das Unfallrisiko mit zunehmender Blutalkoholkonzentration in verschiedenen Altersgruppen entwickelt [13]. Die Studie zeigte in der Altersgruppe ab 55 Jahren eine ähnliche Entwicklung wie bei den 25- bis 54-Jährigen. Ältere Autofahrende haben aber unabhängig von Alkohol ein höheres Risiko, einen schweren Unfall zu verursachen, als Personen im mittleren Alter [14]. Zu berücksichtigen ist auch, dass ältere Personen häufiger Medikamente einnehmen, die die Fahrfähigkeit ebenfalls beeinträchtigen können. Alkoholkonsum kann diese Wirkung noch verstärken [3].
Unfallrelevanz
Laut der Unfallstatistik der Jahre 2019 bis 2023 sind 3 % der schweren Personenschäden bei Personen ab 65 Jahren auf Alkoholkonsum ihrerseits zurückzuführen (Hauptursache). Damit hat Alkohol als Hauptursache von schweren Unfällen älterer Personen eine geringere Bedeutung als Unaufmerksamkeit und Ablenkung, Vortrittsmissachtungen oder überhöhte Geschwindigkeit.
Hinweise
Bei der Interpretation der Daten ist zu berücksichtigen, dass bei den offiziellen Unfalldaten von einer Dunkelziffer auszugehen ist [15]. Allerdings wurde in der Schweiz seit der Einführung des neuen polizeilichen Unfallaufnahmeprotokolls im Jahr 2018 auch die Erfassung des Alkoholkonsums systematisiert [1]. Die Dunkelziffer dürfte daher nicht mehr so hoch sein wie in früheren Jahren.
- In der Schweiz gilt eine Person im Strassenverkehr als fahrunfähig, wenn sie eine Blutalkoholkonzentration ab 0,5 Promille bzw. eine Atemalkoholkonzentration ab 0,25 mg Alkohol pro Liter Atemluft aufweist. Für bestimmte Personengruppen (insbesondere Neulenkende sowie Berufschauffeurinnen und -chauffeure) liegen die Grenzwerte tiefer, nämlich bei einer Alkoholkonzentration von 0,1 Promille bzw. 0,05 mg/l.
- Die Odds Ratio (OR) gibt an, um wie viel sich die Chance (Englisch: odds) für das Eintreten eines Ereignisses durch einen Einflussfaktor verändert. Zur Berechnung werden in einem ersten Schritt die Odds für ein Ereignis bei Vorhandensein des Einflussfaktors und die Odds für ein Ereignis bei Nichtvorhandensein des Einflussfaktors berechnet. «Odds» sind definiert als das Verhältnis der Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis eintritt, zu der Wahrscheinlichkeit, dass es nicht eintritt. Diese beiden Odds werden dann zueinander ins Verhältnis gesetzt (Odds Ratio). Wie das Relative Risiko kann auch die Odds Ratio einen Wert zwischen 0 und unendlich annehmen. Eine OR > 1 weist auf einen positiven Zusammenhang hin [1].
Quellen
[1] Hertach P, Uhr A, Niemann S et al. Beeinträchtigte Fahrfähigkeit von Motorfahrzeuglenkenden. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2020. Sicherheitsdossier 2.361. DOI:10.13100/BFU.2.361.01.
[2] Hezaveh AM, Cherry CR. Walking under the influence of the alcohol: A case study of pedestrian crashes in Tennessee. Accid Anal Prev. 2018; 121: 64–70. DOI:10.1016/j.aap.2018.09.002.
[3] Uhr A, Ewert U, Scaramuzza G et al. Sicherheit älterer Verkehrsteilnehmer. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2016. Sicherheitsdossier Nr. 14. DOI:10.13100/bfu.2.271.01.
[4] Storni M, Lieberherr R, Kaeser M, Schneider S. Schweizerische Gesundheitsbefragung 2022: Übersicht. Neuenburg: Bundesamt für Statistik BFS; 2023. 14 Gesundheit 213-2201.
[5] Bundesamt für Statistik BFS. Tabelle Regelmässiger Alkoholkonsum: Wie häufig trinken Sie normalerweise alkoholische Getränke, das heisst Bier, Wein, Likör, Aperitif Spirituosen, Schnaps? 2022, in % der Bevölkerung ab 15 Jahren in Privathaushalten. https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/determinanten/alkohol.assetdetail.28725089.html. Zugriff am 15.01.2025.
[6] BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung. BFU-Bevölkerungsbefragung 2024: Jährlich wiederkehrende Befragung der Schweizer Wohnbevölkerung zu Themen im Bereich der Nichtberufsunfälle. Bern: BFU; 2024.
[7] Hertach P, Uhr A, Niemann S. Erhebung 2023: «Roadside Survey Alkohol»: Autofahrten unter Alkoholeinfluss. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2024. DOI:10.13100/bfu.2.529.01.2024.
[8] Hargutt V, Krüger H-P, Knoche A. Driving under the influence of alcohol, illicit drugs and medicines. Risk estimations from different methodological approaches: DRUID 6th Framework programme deliverable D 1.3.1 Revision 1.0. Bergisch Gladbach: German Federal Highway Research Institute BASt; 2011.
[9] Lacey JH, Kelley-Baker T, Berning A et al. Drug and alcohol crash risk: A case-control study. Washington, DC: National Highway Traffic Safety Administration NHTSA; 2016. Technical Report No. DOT HS 812 355.
[10] Compton R, Berning A. Drug and alcohol crash risk. Washington, DC: National Highway Traffic Safety Administration NHTSA; 2015. Traffic Safety Facts Research Note DOT HS 812 117.
[11] Krüger H-P, Vollrath M. The alcohol-related accident risk in Germany: Procedure, methods and results. Accid Anal Prev. 2004; 36(1): 125–133.
[12] Blomberg RD, Peck RC, Moskowitz H et al. Crash risk of alcohol involved driving: A case-control study. Stamford, CT: Dunlap and Associates Inc; 2005.
[13] Peck RC, Gebers MA, Voas RB, Romano E. The relationship between blood alcohol concentration (BAC), age, and crash risk. J Safety Res. 2008; 39(3): 311–319. DOI:10.1016/j.jsr.2008.02.030.
[14] Huwiler K, Uhr A, Hertach P. Altersbasierte verkehrsmedizinische Kontrolluntersuchungen: Evaluation des Schweizer Systems. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2022. Fachdokumentation 2.468. DOI:10.13100/bfu.2.468.01.2022.
[15] Vissers L, Houwing S, Wegman F. Alcohol-related road casualties in official crash statistics. Paris: International Transport Forum ITF; 2017.