Ausgangslage
Die Geschwindigkeit ist ein zentraler Einflussfaktor bei Verkehrsunfällen: je höher das Tempo, desto höher das Unfallrisiko und desto schwerer der Unfall. Der Einfluss der Geschwindigkeit ist dabei nicht linear, sondern überproportional stark.
Mit zunehmender Geschwindigkeit steigt die Menge der Informationen, welche die Fahrzeuglenkerinnen und -lenker verarbeiten müssen. Gleichzeitig nimmt die zur Verfügung stehende Reaktionszeit ab. Zudem bedeutet höhere Geschwindigkeit auch einen längeren Anhalte- und Bremsweg [1].
Auch bei der Entstehung von Unfällen von älteren Personen ist die Geschwindigkeit eine wichtige Ursache. Dabei geht es einerseits um das Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, andererseits darum, dass die Geschwindigkeit nicht an die Verhältnisse angepasst wird (z. B. an die Strassen- oder Sichtverhältnisse).
Verbreitung
Es ist bekannt, dass viele Verkehrsteilnehmende sich nicht an die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten halten. Eine Erhebung der BFU zeigte beispielsweise, dass an Messorten mit einem Geschwindigkeitslimit von 50 km/h nur knapp zwei Drittel der beobachteten Motorfahrzeuglenkenden dieses Limit einhielten [2]. An Orten mit Tempolimit 30 km/h war es nicht einmal die Hälfte.
Nebst solchen Überschreitungen der signalisierten Höchstgeschwindigkeit ist für die Verkehrssicherheit auch das Nichtanpassen der Geschwindigkeit an die Verhältnisse von Bedeutung. Wie häufig dies vorkommt, ist jedoch nicht bekannt.
Wie häufig ältere Verkehrsteilnehmende in der Schweiz mit zu hoher Geschwindigkeit unterwegs sind, ist ebenfalls nicht bekannt. In der Erhebung der BFU wurde das Alter der Lenkenden nicht erfasst. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass ältere Menschen insgesamt wohl weniger schnell unterwegs sind als jüngere Verkehrsteilnehmende.
Die Statistik der Administrativmassnahmen 2023 in der Schweiz zeigt, dass Ausweisentzüge wegen Geschwindigkeit bei Personen ab 65 Jahren relativ selten sind: Während insgesamt 13 % der Ausweisentzüge Personen ab 65 Jahren betreffen, macht diese Altersgruppe bei den Ausweisentzügen wegen Geschwindigkeit «nur» 6 % aus [3]. Dass überhöhte Geschwindigkeit eher ein Problem der jüngeren Verkehrsteilnehmenden ist, zeigt sich auch, wenn die Anzahl Führerausweisentzüge wegen Geschwindigkeit auf die Zahl der Ausweisbesitzenden bezogen wird: Mit steigendem Alter nimmt der Anteil entzogener Ausweise ab [2]. Auch Befragungen (u. a. in der Schweiz) und verschiedene internationale Studien zeigen, dass ältere Lenkerinnen und Lenker tendenziell langsamer/weniger oft zu schnell fahren als jüngere (z. B. [4–8]).
Gefährlichkeit
Insgesamt wird das Gefahrenpotenzial von nicht angepasster Geschwindigkeit als sehr hoch eingeschätzt [9]. Man kann festhalten, dass mit zunehmender Fahrgeschwindigkeit das Unfallrisiko und die Unfallschwere nicht linear, sondern exponentiell ansteigen [10]. Für die Sicherheit von vulnerablen Verkehrsteilnehmenden (z. B. Fussgängerinnen und Fussgänger) ist die Fahrgeschwindigkeit besonders kritisch: Die Unfallschwere hängt massgeblich von der Kollisionsgeschwindigkeit ab [11].
Dass bei höheren Geschwindigkeiten weniger Zeit zur Verfügung steht, um auf unerwartete Situationen zu reagieren, ist gerade bei älteren Verkehrsteilnehmenden von Bedeutung. Im Vergleich zu jüngeren Personen brauchen sie oft mehr Zeit, um eine kritische Situation einzuschätzen und darauf adäquat zu reagieren [12]. Auch der Zusammenhang zwischen höheren Geschwindigkeiten und schwereren Verletzungen ist bei älteren Personen von noch grösserer Bedeutung als bei jüngeren: Sie sind verletzlicher als jüngere Personen
.Unfallrelevanz
In der Schweiz sind 6 % der schweren Personenschäden von Seniorinnen und Senioren im Strassenverkehr (siehe Hinweis) auf überhöhte Geschwindigkeit ihrerseits zurückzuführen (Hauptursache). Dabei handelt es sich meist nicht um eine Überschreitung der signalisierten Höchstgeschwindigkeit, sondern um ein Nichtanpassen an die Verhältnisse: in etwa der Hälfte an die Linienführung, in rund einem Drittel an die Strassenverhältnisse. Die amtliche Unfallstatistik zeigt für die Jahre 2019 bis 2023 keinen schweren Unfall von Seniorinnen oder Senioren, bei dem sie die allgemeine oder die signalisierte Höchstgeschwindigkeit überschritten hatten (Hauptursache). Damit steht die Geschwindigkeit hinter Unaufmerksamkeit und Ablenkung sowie Vortrittsmissachtung an dritter Stelle.
Hinweise
Mit Seniorinnen und Senioren sind hier Personen ab 65 Jahren gemeint, die als Fahrzeuglenkende oder zu Fuss unterwegs waren. Mitfahrende z. B. in Personenwagen sind nicht eingeschlossen.
Quellen
[1] BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung. Mit Tempo 30 die Verkehrssicherheit erhöhen: Fakten und Argumente. Bern: BFU; 2020.
[2] Niemann S. Geschwindigkeit auf Schweizer Strassen: Pilotprojekt zur Erhebung des Geschwindigkeitsverhaltens von Motorfahrzeuglenkenden. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2020. Forschung 2.378. DOI:10.13100/BFU.2.378.01.2020.
[3] ADMAS Gesamtbericht 2023. Bundesamt für Strassen ASTRA, Hg; 2024. https://www.astra.admin.ch/dam/astra/de/dokumente/abteilung_strassenverkehrallgemein/admas/admas-gesamtbericht-2023.pdf.download.pdf/ADMAS_Gesamtbericht_2023.pdf. 21.05.2024.
[4] Molnar LJ, Eby DW, Bogard SE et al. Using naturalistic driving data to better understand the driving exposure and patterns of older drivers. Traffic Inj Prev. 2018; 19(sup1): S83-S88. DOI:10.1080/15389588.2017.1379601.
[5] Robertsen R, Lorås HW, Polman R et al. Aging and Driving: A Comparison of Driving Performance Between Older and Younger Drivers in an On-Road Driving Test. SAGE Open. 2022; 12(2): 215824402210961. DOI:10.1177/21582440221096133.
[6] Chevalier A, Coxon K, Chevalier AJ et al. Exploration of older drivers’ speeding behaviour. Transportation Research Part F: Traffic Psychology and Behaviour. 2016; 42: 532–543. DOI:10.1016/j.trf.2016.01.012.
[7] Delavary M, Lyon C, Vanlaar W, Robertson RD. Young and Aging Drivers. ESRA3 Thematic report Nr. 5: ESRA project.
[8] BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung. BFU-Bevölkerungsbefragung 2022: Jährlich wiederkehrende Befragung der Schweizer Wohnbevölkerung zu Themen im Bereich der Nichtberufsunfälle. Bern: BFU; 2022.
[9] Walter E, Achermann Stürmer Y, Ewert U et al. Personenwagen-Lenkende und -Mitfahrende. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2015. Sicherheitsdossier Nr. 13.
[10] International Transport Forum ITF. Speed and crash risk: Research report. Paris: ITF; 2018.
[11] Ewert U, Scaramuzza G, Niemann S, Walter E. Der Faktor Geschwindigkeit im motorisierten Strassenverkehr. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2010. Sicherheitsdossier Nr. 06.
[12] Uhr A, Ewert U, Scaramuzza G et al. Sicherheit älterer Verkehrsteilnehmer. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2016. Sicherheitsdossier Nr. 14. DOI:10.13100/bfu.2.271.01.